Rettungshubschrauber im Einsatz - was ist zu beachten
VON HIKE&FLY.INFO · 29. January 2016
Wir Gleitschirmpiloten teilen uns den Luftraum mit allen anderen
Fluggeräten. Während Passagiermaschinen in Höhen fliegen, die uns eher
wenig tangieren, kann es durchaus vorkommen, dass uns ein
Rettungshubschrauber auf gleicher Höhe begegnet. Doch was ist in einer
solchen Situation zu tun? Wie sieht der Helikopter-Pilot uns
Gleitschirmflieger? Wie man sich bei einem Rettungseinsatz richtig
verhält, haben wir mit der Crew des Martin 7 der Rettungsmannschaft
Heli-Austria Martin Flugrettung, die in Mayrhofen im Zillertal
stationiert ist, besprochen.
In den Wintermonaten sind
doppelt
so viele Rettungshubschrauber im Einsatz wie im Sommer, was sich mit
dem starken Wintertourismus und den damit verbundenen Verletzungen auf
der Piste erklären lässt. Die Crew des Martin 7 fliegt innerhalb der
5-monatigen Stationierung im Winter über 300 Einsätze im Raum
Zillertaler Alpen!
Vom Heliport in Mayrhofen bis zum Zillertaler
Gletscher benötigt der Hubschrauber ca.8 Minuten. Die Behörde gibt eine
Zeit von max.15 Minuten ab Alarmierung zum Notfallort vor. In
Deutschland dauert es im Schnitt 11 Minuten bis der Hubschrauber am
Einsatzort ist.
Im Gespräch:
Pilot Captain Walter Rüscher
Flugretter Manuel Mutschlecher
Dr. Wolfgang Kratzer
Wo befindet sich der tote Winkel eines Helikopters?
Der tote Winkel liegt sicherlich hinten zwischen 8 und 4 Uhr, also ganz ähnlich einem Auto.
Wie sollte ich mich am Boden auf einen Heli zubewegen?
Am besten gar nicht! Wichtig ist grundsätzlich vom Rotorbereich weg zu bleiben. Die Retter kommen ohnehin auf dich zu.
Ein
Helikopter fliegt ja nicht gerade langsam. Wie schnell seid ihr in der
Regel, wenn ihr euch am Weg zu einem Einsatz befindet?
Wir
fliegen mit ca. 200 km/h beim Überflug. Die einzige Einschränkung sind
Sicht und Wind – bei Nebel und Böen ab 100 km/h können wir nicht mehr
fliegen.
Was
ist eure Flughöhe,
wenn ihr ein Tal durchfliegt oder eines quert? Gibt
es für euch eine Vorschrift oder ist das von Tal zu Tal verschieden?
Über nicht besiedelten Gebieten ist unsere Mindestflughöhe 150 Meter und über besiedelten Gebieten 300 Meter über Grund.
Wie groß muss ein Landeplatz für euch sein?
Laut
Vorschrift sollte der Landeplatz den doppelten Durchmesser des Rotors
aufweisen, wir sprechen hier von einem Minimum von 25 x 25 Meter.
Wie
wichtig sind Ersthelfer an einer Unfallstelle für euch? Bzw. wie kann
euch ein Ersthelfer im Landeanflug helfen, einweisen oder den Landeplatz
sichern? Ist das überhaupt erwünscht?
Seile und
Hindernisse sollte man bereits beim Anruf in der Zentrale erwähnen. Wenn
der Hubschrauber kommt, ist es wichtig, sich bemerkbar zu machen. Aber
nicht durch Winken, sondern mithilfe der Y-Stellung: stehend die Arme 45
Grad zur Seite heben – dann sieht der Pilot, dass er richtig ist. Bei
der Landung ist es wichtig den Standpunkt nicht zu verlassen, wenn der
Hubschrauber aufsetzt!
Wenn der Downwash viel Schnee oder Schmutz
aufwirbelt, kann man dem Heli auch den Rücken zukehren und die Hände
runternehmen. In jedem Fall stehen zu bleiben ist deshalb so wichtig, da
dadurch die Referenz zum Grund gegeben ist. In dieser Haltung
verharren, bis der Flugretter kommt, weitere Anweisungen folgen dann
persönlich.
Was ist euer Tipp, um sich vor umherfliegenden Steinchen, Ästen usw. zu schützen?
Da
muss man durch! Nach dem Handzeichen (Y-Stellung) an den Piloten kann
allerdings das Gesicht geschützt und die Mütze festgehalten werden ;-)
Kann
ich über mein Handy GPS-Daten via GoogleMaps, oder auch die Daten eines
GPS-Geräts bekannt geben, welche die Leitstelle weiterverwenden kann?
Da
ist das Beste die Notfall-App der Leitstelle Tirol. Diese hat 2012
gemeinsam mit der Bergrettung die „Notfall App Bergrettung Tirol
operated by Leitstelle Tirol GmbH“ speziell für Notfälle im alpinen
Bereich entwickelt. Die App ist nur in Tirol einsetzbar und steht
kostenlos zur Verfügung. Sie ermöglicht, dass in der akuten Notsituation
auf Knopfdruck eine Übermittlung des eigenen Standorts an die
Leitstelle Tirol erfolgt und gleichzeitig eine Telefonverbindung zu
dieser hergestellt wird. Infolge dessen werden durch die Leitstelle
Tirol die benötigten Rettungskräfte alarmiert und disponiert.
Hier der Link: www.leitstelle-tirol.at/Notfall-App.52.0.html
Falls
man diese App nicht
installiert hat: ist es für euch hilfreich, wenn
bei einem Notruf schon genaue GPS-Daten übermittelt werden, zB. durch
einen Spot-Sender?
Solche Daten sind auf jeden Fall
eine Hilfe! Außerdem ist bei einer Alarmierung wichtig, dass auf
Material-Seilbahnen, Stromleitungen, Kabel oder ähnliches hingewiesen
wird.
Gibt es Besonderheiten, die man beachten muss, wenn man sich oberhalb bzw. unterhalb der Waldgrenze befindet?
Nein,
gibt es nicht. Unterhalb der Waldgrenze ist es natürlich schwieriger,
die in Not geratenen zu finden. Eine Warnweste ist im Wald gut sichtbar,
hilfreich ist es auch, zur nächsten Lichtung zu gehen. Die Farben
Braun, Blau und Grau sind sehr schwierig zu erkennen. Eine Rauchbombe
oder Taschenlampe ist gut, um auf sich aufmerksam zu machen.
Wie
kann ich als Verunglückter in den Bergen – egal ob Wanderer,
Gleitschirmpilot, Mountainbiker, Skifahrer oder Kletterer – die
Rettungskette beschleunigen?
Am besten durch die
genaue Beantwortung jener Fragen, die während des Telefonats mit der
Notfallstelle gestellt werden. Dort sind geschulte Personen am Werk, die
jeden Anrufer durch die Situation führen und genau die richtigen Fragen
stellen.
Ist es wichtig, dass man ein Erste Hilfe Set dabei hat, wenn man sich in den Bergen bewegt?
Ja, auf jeden Fall! Die richtige Zusammenstellung kann man online finden, zB. auf der Seite des Bergwandermagazins: www.wandermagazin.de/ausruestung/tipps-fuer-die-notfallausruestung/
Wenden
wir uns nun ein paar Fragen zu, die Gleitschirme und Helikopter im Flug
betreffen. Als erstes: Wie soll ich mich als Gleitschirmpilot einem
Heli gegenüber verhalten? Wie soll ich meinen Schirm drehen, damit ich
am besten gesehen werde?
Das richtige Ausweichmanöver
geht immer zur rechten Seite. Der Gleitschirm ist wie eine stehende Boje
in der Luft. Wenn man frontal aufeinander zufliegt, dann ist das Profil
sehr dünn und wird gar nicht so einfach wahrgenommen. Also ist es
wichtig, die Querseite des Flügels zu sehen! Am besten durch
Aufschaukeln oder Wing-Over. Dann sieht der Pilot, dass sich etwas auf
dem Kurs befindet und kann reagieren.
Oft denken
Gleitschirmflieger, sie werden von Hubschrauber-Piloten als lästig
empfunden. Ist dem tatsächlich so? Wie seht ihr das?
Gleitschirmpiloten
sind für uns in erster Linie Gleichgesinnte und Teilnehmer im
Flugverkehr. Sie werden nicht als lästig empfunden, im Gegenteil, wir
versuchen, so viel Rücksicht wie möglich zu nehmen.
In welcher Nähe sind Rotor-Turbulenzen spürbar bzw. gefährlich?
Der
Downwash eines Hubschraubers ist bis zu 100 Meter weit spürbar. Das
sollte man sich immer vor Augen führen. Im Überflug, also bei hohen
Geschwindigkeiten, können sich die Wirbelschleppen länger halten. Daran
sollten Gleitschirmpiloten denken, falls wir vorbeifliegen und sie
danach diese Flugstrecke kreuzen. Also lieber ausweichen und wenn
möglich umfliegen!
Wie verhaltet ihr euch in einem Tal, in dem an einem sonnigen Tag viele Gleitschirmflieger unterwegs sind?
In
den Tälern gilt auch die Rechtsregel, d.h. auf der rechten Seite ins
Tal rein und raus, immer in Flugrichtung. Somit ist gewährleistet das
die Flugzeuge und Helis nicht kollidieren.
Worst
Case Szenario: an einem stark frequentierten Tag ist es zu einem
Wanderunfall auf einem Berg gekommen, im Anflug zur Unfallstelle stellt
ihr fest, dass 5 Gleitschirme nur wenige hundert Meter von der
Unfallstelle entfernt in unterschiedlicher Höhe in einer Thermik
kreisen. Als Gleitschirmpilot kann man nicht wissen, wohin ihr wollt –
wie macht ihr darauf aufmerksam, dass ihr genau da hin müsst? Wie sollte
ich mich als Gleitschirmpilot nun verhalten?
Der
Helikopter drosselt die Geschwindigkeit und wenn du siehst, dass er vor
dir stehen bleibt, bitte abdrehen und den Weg räumen. Grundsätzlich sind
die Segelflieger schwieriger zu erkennen als ein Gleitschirmflieger.
Wenn am Startplatz bemerkt wird, dass der Helikopter kommt, unbedingt
warten bis die Rettungsaktion vorüber ist.
Viele
Gleitschirmpiloten kennen die folgende Situation: man hört den Heli,
sieht ihn aber nicht – und plötzlich fliegt er an einem vorbei! Wenn ich
mir nicht sicher bin, aus welcher Richtung oder in welcher Höhe er sich
nähert, wie sollte ich mich eurer Meinung nach in so einem Moment
verhalten?
Am besten ist es, von der vermuteten
Richtung des kommenden Hubschraubers wegzudrehen. Und aufschaukeln,
sodass der Gleitschirm als bewegtes Objekt am Himmel sichtbar wird.
Worauf sollten Gleitschirmpiloten am Unfallort bezogen auf die Ausrüstung achten, wenn ihr euch im Landeanflug befindet?
Der
Schirm muss unbedingt vom verletzten Piloten getrennt und weggepackt
werden. Ein frei herumliegender Schirm stellt eine extreme Gefahr dar.
Durch den “downwash“ kann er im schlimmsten Fall in die Rotorblätter des
Helikopters kommen. Wenn der Schirm noch offen da liegt, weil z.B. der
verunfallte Pilot allein ist, dann kommen die Helfer zu Fuß oder werden
abgeseilt.
Auch wenn ich stark sehr hoffe, nie einen
Heli zu benötigen: Wie soll ich mich verhalten, wenn er doch kommt und
ich z.B. den Schirm nicht einpacken kann? Soll ich im Falle einer
notwendigen Seilbergung mein Gurtzeug ausziehen?
Ja,
raus aus dem eigenen Gurtzeug, da zur Bergung ein eigenes Geschirr
vorhanden ist. Die Rettungsmannschaft würde den Karabiner nie in ein
fremdes Gurtzeug einhängen!
Glücklicherweise ist es
ja bisher nie zu einer Kollision bzw. einem Unfall zwischen Heli und
Gleitschirm gekommen. Was sind eure Anregungen an die
Gleitschirm-Piloten, damit es auch weiterhin so bleibt?
Denk
daran, dass man die Augen offen halten und sich darüber informieren
sollte, wo sich der nächste Stützpunkt befindet, und welche Routen die
Helis nehmen.
Bei Wettbewerben oder Testivals kommt
es immer wieder zu Verletzungen und zu Kollisionen in Bodennähe, dann
wird der Landeplatz für die anderen Piloten mit einem großen X gesperrt,
bzw. sollten diese dann einen anderen Landeplatz anfliegen. Wie wichtig
ist es für euch, dass sich die anderen Gleitschirmflieger daran halten,
wenn ihr zu so einem Unfallort gerufen werdet?
Das ist
das Um und Auf! Wenn sich noch Piloten in unmittelbarer Nähe befinden,
dann warten wir mit dem Landeanflug, obwohl jede Minute zählt. Denn
bevor noch etwas passiert oder sich ein Pilot selbst in Gefahr bringt,
warten wir ab. Es ist natürlich immer hilfreich, wenn alle auf die
Situation Rücksicht nehmen und der Weg zur Unfallstelle frei ist.
Was könnt ihr uns zum Thema Seilbergung raten?
Wenn
ihr in die Situation kommt, in steilem Gelände per Seilbergung gerettet
zu werden, dann ist folgendes zu beachten: Bleiben wo man ist und keine
hektische Bewegungen machen. Den Schirm erstmal vergessen und
aushängen. Wenn der Flugretter kommt, nicht an ihm festhalten, sondern
erst, wenn einem die Hand gereicht wird. Und falls der Helikopter
abdreht im Zweifelsfall warten und Ruhe bewahren!
Danke für das Gespräch!
Weitere Infos findet ihr auf der Website
www.helirescue.at
und auf der Facebook-Seite
www.facebook.com/helirescueat